Das historische Bewußtsein der Jugend - geschichtsdidaktisches Konzept für die empirische Analyse

(Zusammenfassung)

Juri Todorow
Das Geschichtsbewußtsein stellt ein komplexes Phänomen dar, das schwer ausschöpfend zu definieren ist. An dieser Stelle würde es genügen zu sagen, daß das historische Bewußtsein eine Komposition vielschichtiger Faktoren in folgenden Schwerpunkten darstellt: Die nachfolgend skizzierten Ergebnisse basieren auf die Analyse von Daten, die anhand einer Stichprobe von insgesamt 580 Schülern (im Alter zwischen 15 und 17 Jahren) gewonnen wurden. Die Erhebung wurde im Zeitraum 1996-97 durchgeführt. Die eingehende Analyse beleuchtet Fragen über die Ergebnisse der historischen Instruktion, die Struktur und die Veränderungen im historischen Bewußtsein der jungen Leute in unserem Land, das sich auf der Schwelle der Veränderung befindet.

Die Realisierung des empirischen Projektes verfolgt die nachfolgend dargestellten Hauptziele:


Meinungen und Einstellungen hinsichtlich der schulischen historischen Instruktion
Die Historie ist eine untrennbare Einheit von Ideen, zu denen Personen bestimmte Interessen besitzen und äußern. Ein Faktor in der Analyse der bildet die schulische historische Instruktion. Eine negative Einstellung in Bezug auf diesen Faktor Besitzt die Gruppe der Schüler, die sich als orthodox bestimmen. Diese befindet sich im Gegensatz zu den Einstellungen der atheistischen Gemeinschaft, die mit positiven Wertungen hinsichtlich desselben Faktors stehen.

Einstellungen zu moralischen Werten und den Erwartungen für die Zukunft
Der explizite und implizite Vergleich der zeitlichen Komponenten nach dem Schema Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft ist von besonderer Bedeutung für die Analyse des Geschichtsbewußtseins. All das reflektiert auf die moralischen Werturteilen der jungen Leute. Eine ausgeprägte Bereitschaft zur Emigration ist in der Gruppe der Türken vorhanden, die sich dadurch eine materielle Begünstigung erhoffen. Im Gegensatz dazu steht die Gemeinschaft der Bulgaren, die offensichtlich auf ein besseres Leben innerhalb des Landes hoffen. Für die auf dem Lande lebenden ist der materielle Reichtum nicht von vorrangiger Bedeutung. Ein ausgeprägter Wunsch nach einer höheren Bildung ist unter den Türken vorhanden. Die Bereitschaft zur höheren Bildung verstärkt sich von der Stadt zum Land hin.

Einstellungen zu anderen Kulturen
Die moderne historische Instruktion ist auf das Assoziieren geschichtlicher Ereignisse im Bewußtsein der Schüler gerichtet, mit dem Ziel, kognitiv fundierte Interpretationsmöglichkeiten und Fähigkeiten zur Entfaltung eines eigenständigen historischen Denkens zu entwickeln. Eine besondere Bedeutung in diesem Zusammenhang spielt die Befähigung der Schüler zur vielschichtigen Bewertung eines historischen Ereignisses und die Möglichkeit der Anerkennung verschiedener Interpretationsstandpunkte. Diese Multiperspektivität ist bei der Konfrontierung der Schüler mit verschiedenen Kulturkreisen besonders wichtig. Eine ausgeprägte Entfaltung toleranter Einstellungen ist unter der Gruppe der Bulgaren in unserer Stichprobe zu erkennen. Im Gegensatz dazu stehen die Türken, bei denen eine relativ höhere Intoleranz bewertet werden konnte. Ähnliche Verhältnisse sind auch in den Gruppen der Orthodoxen und der Moslimen unter den Befragten vorherrschend. Außerdem ist eine vornehmend tolerantere Einstellung unter den Schülern zu bemerken, die in größeren Städten leben.

Einstellungen zum europäischen Gedanken und der Rolle Bulgariens für eine gesamteuropäische kulturelle Identität
Welche Bedeutung hat unser Land bei der Herausbildung der gesamteuropäischen kulturellen Identität des modernen europäischen Kontinents? Eine negative Einstellung bei der Bewertung der Rolle unseres Volkes für die Herausbildung der gesamteuropäischen  kulturellen Identität ist Unter den Befragten mit moslimischem Glauben zu erkennen. Mann könnte feststellen, das die Anhänger des europäischen Gedankens vorwiegend in den Städten unseres Landes leben. Die Befragten, die sich als Türken und Moslime bestimmen, würden eher die Errichtung einer Staatenföderation auf dem Balkan begrüßen.

Einstellungen zur Akzeptanz minoritärer Gemeinschaften
Der nächste Faktor in unserer Analyse wird durch eine Itemgruppe bestimmt, die zur Bewertung der Einstellungen der Schüler gegenüber des Vorhandenseins minoritärer Gemeinschaften auf ethnischer oder religiöser Grundlage konzipiert ist. Eine positive Bewertung  der hypothetischen Anerkennung der nationalen Minderheiten in Bulgarien ist nur unter den Moslimen zu erkennen. Die Gruppe der Befragten mit atheistischer Selbstidentifizierung ist gegensätzlicher Meinung. Die Schüler orthodoxen Glaubens sind dazu geneigt, das Vorhandensein verschiedener minoritärer Gemeinschaften im Land anzuerkennen, was auch für die Schüler zutrifft, die in den Kleinstädten des Landes leben. Auf dem Land sind die Anhänger eines Mehrnationalitätenstaates anzutreffen, wohingegen in den Großstädten die Schüler über das Vorhandensein minoritärer Gruppen hinwegsehen.

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